Ragnarök, Ragnaröck, Ragnarrök, das Schicksal der Götter, so hieße dies wörtlich übersetzt. Ragnarök heißt in der germanischen Mythologie: der große Endkampf zwischen Göttern und Riesen. Alle Hauptgötter werden getötet. Die Sonne geht unter und Weltenesche, Yggdrasil, fällt.
Inhaltsverzeichnis
Voraussichtliche Lesedauer: 10 Minuten
Ragnarök – Vorzeichen
Bevor Ragnarök, der alles zerstörende Kampf zwischen den Göttern und Riesen beginnt, zeichnet sich Ragnarök durch Zeichen der Krise schon an.
Die Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten seit Baldurs Tod
Das Kräftespiel der Welt war seit dem gewaltsamen Tod des gütigen Gottes Baldur aus dem Gleichgewicht. Lokis Ränkesucht hat sich auf die Menschen übertragen. Ganz Midgard, die Menschenwelt, wird durch anhaltende Kriege erschüttert. Ganz Midgard hat sich in ein Blutbad verwandelt. Die Götter aber, Asen wie die bei ihnen wohnenden Wanen, können der Zerstörungswut der Menschen nur noch tatenlos zusehen. Die Welt ist aus dem Gleichgewicht.
Der ewige Winter bricht an und die Weltesche Yggdrasil fällt
Die Zeit des Fimbulvetr, eines eisigen Winters, der drei Jahre dauert, bricht an. Tiere wie Menschen verhungern im andauernden Frost. Nun werden auch die anderen Welten zerstört. Die Riesin Angrboda füttert die Wölfe Hati und Skoll, bis die beiden Wölfe Sonne und Mond einholen und verschlingen. Die Sterne verschwinden, die Welt ist in Finsternis gehüllt. Der Drache Nidhögg zerbeißt die Wurzeln der Weltesche Yggdrasil, sodass die Weltenesche fällt.
Das Horn von Heimdall erschallt
Der Sturz von Yggdrasil ist für den gütigen lichten Wächter der Götter, Heimdall, das Signal, ein letztes Mal in sein Horn Gjallar zu blasen. Das Horn ruft alle Götter zur letzten großen Schlacht. Doch auch die Gegner der Götter, die Riesen und Bewohner der Unterwelt haben das Horn von Heimdall gehört und ziehen zum Ort der letzten Schlacht. Die Mit lässt den Ozean toben und riesige Flutwellen türmen. Das grauenerregende Schiff Naglfari taucht auf. Loki steuert es zum Ort der Schlacht. In seinem Geleit rast der Wolf Fenrir und verschlingt alles, was ihm in den Weg kommt.
Riesen und Götter ziehen in die letzte Schlacht
Die Midgardschlange speit ihr Gift in alle Richtungen. Auch Hel zieht mit ihrem Gefolge aus dem Totenreich in die Schlacht. Als alle Mächte versammelt sind, beginnt das Gemetzel. Voller Hass fallen Götter und die Mächte des Chaos übereinander her. Ein Gemetzel voller End-Abrechnungen zwischen unerbittlichen Feinden.
Die Erzfeinde in Ragnarök
Ragnarök erfasst alle Rassen und Völker: Einherjar (die heldenhaften Toten, Armee des Odin), Walküren, Zwerge, Elfen, Menschen, Riesen gibt es nach Ragnarök nicht mehr. Alle bis auf ein Menschenpaar, das sich unter die schützenden Wurzeln Yggdrasils retten konnte: Lif und Lifthrasir. Es kämpft nicht jeder gegen jeden, sondern jeweils die traditionellen Erzfeinde direkt gegeneinander:
Frey und Surtr
Frey wird, unbewaffnet, von dem Feuerriesen Surtr erschlagen. Hätte er sein Schwert noch gehabt, wäre Frey unbesiegbar gewesen. Doch Frey hatte sein mächtiges Schwert seinem Diener überlassen, als dieser die schöne Riesin Gerda als Braut für Frey erobert hatte. Ohne Schwert fällt Frey als einer der ersten Götter im Ragnarök.
Odin und Fenris
Der Gott Odin und der Wolf Fenris sind ein weiteres der verfeindeten Paare. Nach langem Kampf zwischen den beiden Feinde gelingt es schließlich Fenris, den Gott Odin zu verschlingen. Widar, ein Sohn Odins, rächt seinen Vater, indem er des Fenris Maul so weit aufreißt, dass er Fenris in zwei Stücke reißen kann.
Thor und Midgardschlange
Thor und die Midgardschlange töten sich gegenseitig. Zwar erschlägt Thor seinen Erzfeind, die Midgardschlange. Doch durch das Gift der Schlange wird auch Thor kurz darauf tot zu Boden sinken.
Tyr und Garm
Der heldenhafte Tyr trifft auf den Höllenhund Garm. Er musste sein Schwert in der linken Hand führen, da er seine rechte Hand schon an den Wolf Fenris verloren hatte. Tyr und Garm töten sich schließlich gegenseitig.
Heimdall und Loki
Auch Loki und Heimdall treffen in Ragnarök aufeinander. Sie gelten als die Erzfeinde schlechthin und auch Loki und Heimdall töten sich gegenseitig. Surtr, der Feuerriese schwingt sein Feuerschwert in alle Richtungen und setzt die ganze Welt in Flammen. Schließlich versinkt Midgard in den Fluten, welche die Midgardschlange ausgelöst hatte.
Baldur und Hödur – nach Ragnarök
Nachdem die Welt mit allen ihren neun Welten zerstört wurde, versinkt sie im Meer. Doch durch den Ausgleich von Ordnung und Chaos ist ein Gleichgewicht entstanden, das es dem Allvater Fimbultyr ermöglicht, eine neue Welt zu schaffen. Die überlebenden Asen, Söhne der Hauptgötter Thor und Odin treffen sich in dem, was mal Asgard, die Heimstatt der Asen war. Modi und Magni sind die überlebenden Söhne von Thor. Nun kehren auch die beiden Söhne des Odin Baldur und Hödur aus Hel nach Asgard zurück. Baldur, dessen Tod die Welten aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, wird in dieser neuen Welt die Götter anführen.
Ragnarök nach der Snorri-Edda
Und hier noch die etwas andere Sortierung in der Snorri-Edda selbst. Erkennbar ist der Ablauf von Ragnarök sehr gut.
Ragnarök – Anzeichen, Aufmarsch und Endkämpfe
- Anzeichen, die den bevorstehenden Untergang ankündigen: große Kriege brechen in der Welt aus, innerhalb der Familie kommt es Totschlag und Blutschande (sifiaslit)
- Kosmische Umbrüche: Fimbulwinter, Sonne und Mond werden von zwei Wölfen verschlungen, die Sterne verschwinden vom Himmel, die Erde bebt, so dass Bäume entwurzelt werden, Felsen/Berge einstürzen und alle Fesseln (Ketten und Bande) brechen und reißen.
- Ausbruch der feindlichen Elemente: Der Fenriswolf und die Midgardschlange (verursacht eine Überschwemmung) kommen frei, das Schiff Naglfar wird flott.
- Aufmarsch der bösen Mächte: Der Riese Hrymir steuert Naglfar, der Fenriswolf läuft mit geiferndem Rachen, die Midgardschlange an seiner Seite sprüht ihr Gift. Die Muspell-Söhne mit Surtr an der Spitze reiten über die berstende Brücke Bifröst. Alle Riesen gesellen sich zu Hrymir, Loki kommt mit Hels Gefolge.
- Aufmarsch der guten Mächte: Heimdall bläst das Gjallarhorn, die Götter versammeln sich zum Thing, Odin reitet voran, um Rat von Mimir zu holen, die Esche Yggdrasil erzittert und alle werden von Angst ergriffen. Asen und Einherier ergreifen ihre Waffen und reiten, mit Odin an der Spitze, mit dem Speer Gungnir bewaffnet, auf die Kampfebene Vígríðr.
- Großer Endkampf: Odin kämpft gegen den Fenriswolf, der ihn verschlingt, Thor gegen die Midgardschlange, die er zwar tötet, aber nach neun Schritten von ihrem Gift tot umfällt. Freyr trifft auf Surtr, geht jedoch ohne sein Schwert zugrunde. Garm, der sich losgerissen hat, kämpft gegen Tyr und beide sterben im Kampf. Odins Sohn Víðarr rächt seinen Vater, setzt einen Fuß mit einem wunderbaren ledernen Schuh auf den Unterkiefer des Fenriswolfes, packt mit einer Hand den Oberkiefer und reißt ihm den Rachen entzwei, woran der Fenriswolf stirbt. Loki und Heimdall treffen im Zweikampf aufeinander und erschlagen sich gegenseitig.
Die Erneuerung der Welt
- Weltenbrand: Am Ende schleudert Surtr Feuer über die Erde und verbrennt die ganze Welt.
- Erscheinen der Jenseitsorte: Die guten und schlechten Wohnungen im Jenseits.
- Welterneuerung: Die Erde steigt ein zweites Mal aus dem Meer empor und ist wieder grünend. Gewässer strömen, ein Adler fliegt darüber, um auf dem Hochland Beute zu fangen. Die Götter Víðarr und Vali, die sich aus dem Weltenbrand retten konnten, treffen sich auf der Ebene Iðavöllr („Feld der Betriebsamkeit“), dem Ort des früheren Asgard. Sie erinnern sich an das, was geschah, die großen Ereignisse und der Geheimnisse Odins. Sie werden im Gras die Goldtafeln wiederfinden, die sie einst besaßen. Äcker werden wachsen, ohne besät zu sein.
- Thors Söhne Móði und Magni kommen ebenso nach Iðavöllr wie Baldur und Höðr, beide der Hel entstiegen, die nun zusammen in den Wohnstätten ihres Vaters Odin leben werden. In einer schönen Halle mit goldenem Dach werden treue Söhne wohnen und alle Zeit das Glück genießen.
- Von den beiden Menschen Líf und Lifþrasir, die den Fimbulwinter überlebten, kommen so viele neue Geschlechter, dass die Welt erneut besiedelt wird.
- Die Sonne hatte eine Tochter geboren, die jetzt die Bahn der Mutter wandeln wird.
Einen Weltenuntergang am Ende der Zeit?
Die ältesten Mythen der nordischen Götter stammen aus dem 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die Mythen der Germanen, Kelten und anderen nordischen Völker sind also viel jünger als etwa die griechischen. Diese Mythen gehen deshalb auch auf Ereignisse zurück, welche die Geschichte der Völker vor allem im nördlichen Europa entscheidend geprägt hatten. Vielleicht könnte man sogar sagen, das sie das Selbstverständnis dieser Völker auf tragische Weise prägten. Das gilt vor allem, wenn man sie mit Ägypten, Griechenland oder Rom vergleicht. Die Geschichte der nordischen Völker ist eine lange Reihe von Niederlagen, Niederlagen gegen die Römer und später Niederlagen gegen die Ostgoten.
Diese Niederlagen machen es zumindest für mich verständlich, warum die Heldengeschichten der nordischen Mythologie einen so ausgeprägt pessimistischen Grundton haben. Der pessimistische und oft auch trageische Grundton betrifft nicht nur die Sagen des Nibelungenstoffes. Wir finden ihn auch in den noch älteren tragischen Heldensagen um den Helden Beowulf.
Die nordischen Götter lenken, könnte man sagen, und schützen eine Welt, in der es am Ende keinen Sieg gibt. Siegen sie doch einmal, ist er nicht von langer Dauer. Diese Grundstimmung findet man auch, sehr ausgeprägt, bei den Werken von Tolkien, etwa in „Herr der Ringe„. Am deutlichsten wird der tragische Ton sicherlich in Ragnarök, dem Endkampf zwischen Gut und Böse. Solch ein Endkampf zwischen Gut und Böse ist ein Motiv, das bei den griechischen, römischen, aber auch den ägyptischen und indischen Göttern nicht auftaucht.
Quellen
- Text: Wikipedia / Snorri-Edda
- Bilder: © wikipedia.org/wiki/Ragnar%C3%B6k#/media/Datei:Odin_und_Fenriswolf_Freyr_und_Surt.jpg / Public Domain, commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=249472 / wikipedia.org/wiki/Ragnar%C3%B6k#/media/Datei:After_Ragnar%C3%B6k_by_Doepler.jpg / Chevnenko von Deposit
In beiläufigen Nebensätzen in den Schriften über Ragnarök wird der einarmige Gott Teut oder Tyr genannt.