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Campbell: Mythos der Menschheit

Theseus, hier von Athene geschützt, tötet den Minotaurus.
Theseus, hier von Athene geschützt, tötet den Minotaurus.

Campbell untersucht in seinem Buch: „Die Mitte ist überall“ die drei Mythenkomplexe Heldenreise, Kundalini und Sonne-Mond-Balance – und belegt sie mit Abbildungen und Beschreibungen aus diversen alten Kulturen.

Heldenreise, Kundalini und die Sonne-Mond-Metapher

Heldenreise, Kundalini und die Sonne-Mond-Metapher waren in Sumer, Ägypten, Griechenland, Indien, China und auch in Amerika – bei einigen indianischen Stämmen bekannt und wurden in eindringlichen Bildern – auf Stelen, Wandmalereien und in Tempeln wunderbar beschrieben. Die große Frage, die Campbell sich und seinen Lesern stellt ist: Wie kam es, dass dieses Wissen, vor allem aber die Kraft dieses Wissens (im Sinne von Gewissheit) verloren gehen konnte.

Eine Antwort, die er findet, ist die eingangs erwähnte doppelte Funktion der Mythen. Mythen wie die eben beschriebenen zeichnen die existenziell orientierende Funktion für das Leben-Können des individuellen Menschen aus.

Die zweite Funktion, die Mythen von Alters her hatten, war die der sozialen Orientierung. Hier wurde – ebenfalls in allen Kulturen – zwischen Freund und Feind unterschieden: Denen, die zur Gemeinschaft, Staat, zur Polis etc. gehörten und den anderen, da draußen.

Hier waren Menschen, für die Antworten auf alle menschlich existenziellen Fragen gefunden wurden, damit das Überleben der Gruppe, Gemeinschaft überhaupt möglich war.
Dort draußen aber waren Fremde, die nicht als Menschen angesehen wurden. Fremde, die getötet und versklavt werden durften und auch mussten, damit die Mitglieder der Gemeinschaft ihr Leben sichern konnten.

Campbell: Die Beschränkung des Mythos macht auch das Wahre falsch

Diese zweite Funktion des Mythos – die Grenzziehung nach außen, die zugleich das soziale Innen regelt, hielt sich viele Jahrtausende (paradigmatisch: Ägypten) in Grenzen – zumindest so weit, dass die erste Funktion entwickelt werden konnte. Erst mit dem Zeitalter des Monotheismus – dem, was man im engeren Sinne erst als Religion bezeichnet – und streng genommen auch nur im Einflussbereich der dann entstehenden drei großen monotheistischen Religionen – trat eine plötzliche Veränderung ein.

Die lokal beschränkten Beschreibungen im Mythos wurden dominant. So dominant, dass sie die elementaren – für alle Menschen gültige – brutal verdrängten. Wer ist Freund und wer Feind – war nun die Frage. Heldenreise, Kundalini und Sonne-Mond-Balance – damit auch die Vergegenwärtigung des Todes – wurden verdrängt. Die wesentlichen, existenziellen, persönlichen Fragen, für die soziale Regelungen eigentlich nur einen schützenden Rahmen bieten sollen – wurden verdrängt – in den Dringlichkeiten des auf Feindlichkeit abgestellten Überlebenskampfes der neuen Völker.

Erdrückende soziale Funktion des Mythos

Menschen, die auf das Bekämpfen von Feinden fixiert sind, sind nicht mehr in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern. Menschen, die sich selbst nicht mehr wichtig nehmen, verkümmern schneller, als sie es selbst bemerken, zu leblosen Robotern eines sozialen Systems, das im Wesentlichen auf Eroberung und Verteidigung hin organisiert ist. Angriff – Gegenwehr – die Spirale dreht sich.

Mit den abgestorbenen Menschen wird auch das soziale System immer rigider, formaler und oft genug brutal. Nachzulesen in der Bibel.

Mit der Praxis von Heldenreise, Kundalini und Sonne-Mond-Balance gerieten auch die Mythen in Vergessenheit, die sich um das Reifen des Menschen zu einem göttlichen Wesen gedreht hatten.

Der Anfang eines Mythos der ganzen Menschheit

Der Kreislauf des Vergessens und damit des Zerfallens von Lebensmöglichkeiten hat inzwischen immerhin seinen Höhepunkt (2. Weltkrieg) und Ende (Ost-West-Konfrontation) gefunden. Das alte Wissen, wie menschliches Leben funktionieren und gelingen kann, ist zwar weitgehend vergessen, aber nicht verloren gegangen. Um heute daran anknüpfen zu können, kann man natürlich nicht die Geschichte zurückdrehen. Immerhin hatte das alte Wissen immer schon den Keim in sich getragen, dass Isolation ein kardinaler Fehler ist. Die Ausgeschlossenen, die man vergessen will, sind nicht einfach weg.

Reinigen, sondieren, neu anfangen aber muss jeder Mensch selbst – und bei sich anfangen. Aber – so Campbell – ein neuer Mythos, der die ganze Menschheit umfasst, könnte den verstreuten Einzelkämpfern eine gemeinsame Orientierung geben.

Als mögliche Lösung zeichnet Campbell einen Mythos der Zukunft – der jedem Menschen wieder Orientierung gibt, aber die Beschränkung auf eine Gemeinschaft, ein Volk etc. überwunden hat. Auch einen allwissenden Gott brauchen Menschen nicht.

Erfinden oder gar verordnen – so Joseph Campbell – kann solch einen Mythos der Menschheit niemand. Wahrscheinlich aber ist solch ein Mythos schon im Erstehen. Vielleicht könnten Bilder der Erde, vom Mond aus gesehen, eine Metapher, um ihn zu beschreiben, sein.

Quellen

4 Kommentare

  1. Ich mag die christliche und islamische Religion nicht, da wurde der Auftrag der Missionierung eingebaut. Das ist Totalitarismus auf der Basis einer Geschichte, die so nicht stimmen kann. ALLMACHT (Omnipotenz) und Allwissenheit in nur einer einzigen Figur („Gott“) kann es nicht geben. Zur Disposition können Erzählungen (plural) stehen.

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