Traditionell formuliert wäre ein Orakel so etwas wie: „Ein Orakel ist eine Methode, um göttliche Offenbarungen zu empfangen.“ Soweit aktuell in www.perplexity.ai zu finden. Das klingt schon ziemlich traditionell, passiv und gläubig.
Wie wäre es stattdessen mit einem aufgeklärten, selbstbewussten Verständnis von Orakeln? Mein Vorschlag: Ein Orakel als Gespräch mit dem Göttlichen in uns selbst zu verstehen. Was schon mitdenkt, dass dieses Göttliche nicht nur in mir, sondern auch in dir, zwischen uns, zwischen allem, was uns umgibt, zu finden ist. Schließlich ist moderne Spiritualität nicht mehr an gläubige Anbetung eines allmächtigen und allwissenden Gottes gebunden.
Inhaltsverzeichnis
Wozu also orakeln?
Orakel als Gespräch mit dem „Göttlichen“ kann man mit Sicherheit auch anders beschreiben. Ein paar Beispiele:
- Die Lücke zur Freiheit der eigenen Gedanken, Gefühle und Empfindungen erobern.
- Die Deutungshoheit über seine Wahrnehmung, Ideen, Intuitionen zurückerobern.
- Sich im räumlich und zeitlich unendlichen Zusammenspiel komplexer Systeme orientieren lernen.
- Den göttlichen Funken in sich entfachen und ihm gut verdauliche Nahrung geben.
- Der eigenen Intuition vertrauen lernen – Schritt für Schritt – durch Erfahrung.
- Seine innere Stimme finden und andere inspirieren, die ihre zu finden.
Orakel als Gespräch mit dem Göttlichen (in uns)
Ein Orakel als ein Gespräch mit dem Göttlichen in uns zu führen, ist auch für spirituell erfahrene Menschen nicht selbstverständlich. „Gott ist tot!“ oder „Mensch ist Gott“ zu verkünden, reicht natürlich auch nicht. Sich ins Gespräch mit dem Göttlichen zu begeben, hat es nämlich in sich. Es geht eben nicht einfach um eine Methode, sondern eher darum, seine Erwartungen zu entstauben – soweit sie Gott und die Welt betreffen. Praktisch heißt das zum Beispiel:
- Dir überraschende Perspektivwechsel zumuten.
- Stelle kluge, offene Fragen, solche vor allem, die ein Gespräch eröffnen können. So wächst Vertrauen in diese besondere Art von Gespräch.
- Und was die Antwort betrifft: Spüre genau hin, sehen, fühlen, lauschen, eingeschlossen, je nachdem, was das Orakel dir zeigt. Denn, Spoiler, immer antwortet ein Orakel genau dir. Es kennt dich und das hat einen einleuchtenden Grund.
Aus welcher Perspektive erlebe ich das gerade?
- Perspektivwechsel!
- Sich einen Perspektivwechsel gönnen: Orakel sind ein Gespräch unter Göttern auf Augenhöhe! Es lohnt sich. Zumal der Glaube an allmächtige Götter und deren Folgen (Megalomanie, Nihilismus etc.) typisch abendländische Irrwege waren und noch sind.
- Perspektivwechsel immer wieder wagen: Sich selbst orientieren & korrigieren – durch eine explizit andere, meist überraschende, Perspektive als die eigene, selbstverständliche.
- Problem: Sich die Antwort schönreden, nur sehen, was man sehen will (Confirmation-Bias) ⇾ Vertrauen in Orakel geht verloren.
- Lösungsrichtung: Klare Spielregeln festlegen, um sich selbst vor dem Tricksen zu schützen.
Spielregeln festlegen!
- Klare Spielregeln für die Kommunikation mit einem Orakel festlegen.
- Ein Buchorakel braucht andere als eines mit Karten oder ein Ja-Nein-Orakel.
- Du kannst die Spielregeln mit dem Orakel selbst aushandeln, z.B. eine Regel, wie es dir zeigen kann, ob es dir antworten will / kann oder nicht.
- Experimentiere, welche und wie viele Regeln du brauchst. Am wichtigsten ist das, was du tun kannst: Wie fragen, wie Antwort eingrenzen.
- Beispiel: Fingerspitze auf eine Stelle der Karte / der Buchseite tippen.
- Erfolgskriterium: Du bekommst zuverlässig Antworten,
- die dich überraschen.
- denen du vertraust → die du umsetzen kannst.
- Die Spielregeln während des Orakelns selbst unbedingt einhalten. Ändern geht, aber danach.
- Beispiel: Für ein Ja-Nein-Orakel brauchst du vermutlich nur zwei Regeln:
- erst orakeln, wenn du mit beiden Antworten leben kannst.
- die Antwort akzeptieren, sprich umsetzen.
Ohne Frage kein Orakel und kein Gespräch!
- Deine Frage an das Orakel ist der Dreh- und Angelpunkt beim Orakeln und setzt das Gespräch mit dem Göttlichen in dir in Gang.
- Sie muss klar und mit Herzklopfen verbunden sein. Beides gleichermaßen! Das ist oft ein Balanceakt.
- Klar meint:
- Eine klare Vorstellung, für welche Situation du eine andere, zusätzliche Perspektive brauchst. Idealerweise fühlst du in die fragliche Situation hinein, sodass du siehst, spürst, wo in etwa es (noch) nebelt.
- Die Frage muss sich auf dich selbst beziehen, auf das, was du tun kannst. Idealerweise bist du schon vertraut mit der Situation und fragst: Was ist der nächste Schritt?
- Herzklopfen meint:
- Ein Gefühl, egal welches, das du im Körper spürst. Warte mit dem Orakeln, bis du spürst, dass deine Frage zumindest irgendwo im Körper zwackt, fließt, zieht, wie auch immer.
- Die Frage kann noch so klar formuliert, reflektiert und bedacht sein, wenn du nicht wirklich erpicht auf eine andere Perspektive bist, kannst du dir den Aufwand sparen.
Wahrnehmen statt schon wissen
- Beschreibe die Situation auf dem Bild.
- Wenn du mit einem Finger (als Fingerzeig) orakelst, beschreibe die Situation von der Stelle aus, auf der dein Finger liegt.
- Liegt dein Finger am Rand der Karte, nimmst du die Situation vielleicht mit einiger Distanz wahr.
- Liegt dein Finger auf einer Person, Körperteil oder z.B. einer Tür, nimm das als Zugang zur Antwort auf deine Frage.
- Beschreibe so sinnlich wie möglich.
- Zum Beispiel: Was siehst du zuerst, welche Linien, Formen, Farben fallen dir auf? Wie erlebst du dich selbst, welche Stimmung strahlt die Karte für dich aus?
- Gegenbeispiel: Den Gott, das Symbol, kenne ich, steht für ….
Überraschung als Indiz
- Situationen von Frage und Karte abgleichen.
- Ideen ausprobieren → Testen, wie sie sich anfühlen.
- Wenn die Frage klar und wichtig für dich ist und du diszipliniert beim Wahrnehmen bleibst, stellt sich die Antwort schnell ein.
- Du erkennst sie daran, dass sie dich (zumindest ein wenig) überrascht.
- Und auch diese Überraschung kannst du leiblich spüren, irgendwo in deinem Körper passiert (plötzlich) etwas.
- Wenn nicht, hab ein wenig Geduld mit dir und achte auf deinen Atem, während dein Blick über das Bild wandert.
Quellen:
- Text: https://www.die-goetter.de/wieso-denn-ein-ehrliches-orakel / thelema.de / Holger van den Boom: Design
- Bilder: Deposit / die-goetter.de / die-goetter.de
- Orakel-Workshop in Berlin, Samariterstraße.