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Dionysos, der werdende Gott

Dionysos auf einem Leopard
Dionysos auf einem Leopard

Dionysos, der werdende Gott, wie man ihn auch nennt, hat einen weiten Weg vor sich, ehe er, der Sohn des Zeus, in Griechenland als Gott anerkannt wird. Kaum dass er laufen kann, schlägt Hera ihn mit Wahnsinn, sodass er für viele Jahre durch die Welt irrt. Und zurück in Griechenland bekommt er es mit seiner ehemaligen Familie in seiner Geburtsstadt Theben zu tun. Pentheus, der neue König in Theben, Sohn der Schwester seiner Mutter Semele, besteht darauf, dass Dionysos im Leib seiner verbrennenden Mutter getötet wurde. Ihn als Gott anzuerkennen, weigert Pentheus sich. Und bevor Dionysos von den Göttern des Olymp als gleichwertiger Gott unter Göttern schließlich anerkannt wird, findet er noch Ariadne auf Naxos und macht sie zu seiner Göttin.

Voraussichtliche Lesedauer: 8 Minuten

Wahnsinn durch Hera und Heilung durch Kybele

Dionysos, der werdende Gott  - ein Menschheits- Mythos
Dionysos, der werdende Gott – ein Menschheits- Mythos

Erwachsen geworden kehrt Dionysos von seinen Irrfahrten, die ihn bis nach Indien und Ägypten führen, zurück ins heimatliche Griechenland. Doch auch jetzt ist Heras Zorn gegen ihn noch immer nicht besänftigt. Sie schlägt den Dionysos mit Wahnsinn, sodass er jahrelang durch diverse Länder Afrikas und Asiens umherirrt. Näheres ist über seine Irrfahrten im Wahnsinn nicht bekannt, doch ist es gut möglich, dass erst auf diesen Reisen die später für ihn typischen Leoparden seine Begleiter werden.

Kybele heilt den Gott vom Wahnsinn

Schließlich kommt Dionysos an den heiligen Ort – dem Berg Ida auf Kreta. Die Göttin des Ida-Gebirges Kybele heilt Dionysos von seinem Wahnsinn und weiht ihn in ihren Kult ein. Nun ist Dionysos erwachsen geworden – vom Wahnsinn geheilt, den er fortan auch bei anderen Menschen auslösen kann. Mania heißt dieser Wahnsinn, Dionysos straft mit Mania Menschen, die sich gegen ihn wehren oder ihn leugnen.

Dionysos – der werdende Gott

Soweit die Vorgeschichte, was Dionysos alles lernen muss, ehe er von den Menschen als Gott anerkannt wird. Was schon bis an diesen Punkt der Geschichte des Dionysos auffällt ist, dass Dionysos ein werdender Gott ist. Werdende Götter wie Dionysos gab es sonst in Griechenland nicht. Einen wahnsinnig werdenden Gott ebenfalls nicht. Und schon gar nicht einen, der stirbt und wieder neu geboren wird. Vermutlich zeigt sich in den Mythen um Dionysos, dass sich eine Gegenbewegung zum dominanten Göttergeschlecht entwickelt. Götter, die nicht einfach ihr Spiel mit den Menschen spielen, sondern die ihr Leben daran setzen, die Menschen von ihren engen Fesseln – durch Ekstase – zu befreien.

Dionysos und König Pentheus (Euripides)

Der König von Theben, Pentheus, wird von seiner Mutter und anderen Frauen der Stadt, zerrissen
Der König von Theben, Pentheus, wird von seiner Mutter und anderen Frauen der Stadt, zerrissen

Es beginnt der Siegeszug des Dionysos durch die Städte Griechenlands. Die Heimatstadt des Dionysos – Theben – ist es, in der denn auch die Handlung der Euripides Tragödie „Die Bakchen“ ein. Vorab – die Bakchen des Euripides sind die erste uns bekannte Tragödie, in der ein Gott als Person auftritt.

Pentheus nimmt Dionysos gefangen

Erzählt wird folgendes: Dionysos kommt mit seinem Gefolge in die Stadt Theben – seiner Geburtstadt – als Wanderprediger verkleidet – zurück. Dort herrscht inzwischen nicht mehr Kadmos – der Vater von Semele, sondern dessen Enkel: Pentheus.

Pentheus ist gerade in Begriff, den um sich greifenden Kult des Dionysos ein Ende zu setzen. Er lässt nach dem seltsamen Wanderprediger suchen und zeichnet von Dionysos das Bild eines wild gewordenen Irren. Ihn als Gott – dem Sohn von Zeus – anzuerkennen, weigert er sich. Jedermann wisse doch, dass Zeus nur deshalb als Vater des toten Kindes seiner Schwester angegeben wurde, um die Buhlschaft seiner Schwester zu vertuschen. Außerdem sei das Kind ja im Leib der Mutter verbrannt. Pentheus lässt den Wanderprediger fangen, stellt ihn zur Rede und wirft ihn schließlich in den tiefsten Kerker seines Palastes.

Doch während Pentheus noch mit seinem Großvater Kadmos und dem blinden Seher Teiresias im Dialog ist, die ihn mahnen, den neuen Gott anzuerkennen, brechen die Mauer des Kerkers ein – und Dionysos steht wieder vor ihm.

Pentheus und seine Mutter

Zwar weigert sich Pentheus auch jetzt noch, Dionysos als Gott anzuerkennen. Doch lässt er sich von Dionysos – dem vermeintlichen Wanderprediger, überreden, mit ihm auf den nahegelegenen Berg zu kommen, an dem die geheimen Orgien des Dionysos stattfinden. Dazu allerdings muss Pentheus sich als Frau verkleiden. Zu den Orgien werden ausschließlich Frauen – die Bakchen (und die Mänaden) zugelassen.

Pentheus klettert mithilfe von Dionysos – nahe dem Kultort – auf eine Tannenspitze, um das Geschehen beobachten zu können. Da verschwindet der Wanderprediger und aus der Ferne erklingt eine Stimme (die des Dionysos), die die tanzenden Frauen auf den unerwünschten Zuschauer aufmerksam macht. Die Frauen – eine von ihnen die Mutter des Pentheus – umringen die Tanne und entwurzeln sie. Pentheus in seiner Not gibt sich seiner Mutter zu erkennen. Doch die ist im Rausch von dem Wahn befallen, das winselnde Etwas vor ihr sei nichts anderes als ein kleiner Löwe. Sie und die anderen Frauen zerreißen Pentheus – im Glauben, ein junges Tier zu zerreißen.

Als die Mutter von Pentheus schließlich – nach Theben zurückgekehrt – von ihrem Wahn erwacht und erkennt, dass sie ihren eigenen Sohn zerrissen hat, stürzt sie in Verzweiflung. Dennoch wird sie – von Dionysos selbst – zum Exil verurteilt und muss Theben verlassen. In Argos, wohin sich Dionysos anschließend begab, bewies der junge Gott seine Macht auf ähnliche Weise. Er lässt die Töchter des Königs Proitos in Manie verfallen, sodass sie ihre eigenen Kinder verschlingen.

Dionysos und die Piraten

Dionysos und die Piraten
Dionysos und die Piraten

Nun, da Dionysos auch in Griechenland als Gott anerkannt ist, im Olymp den Platz der Hestia einnimmt, wird seine erste „Amtshandlung“ seine eigene Hochzeit – mit Ariadne – sein. Ob er Ariadne schon im Sinne als seine künftige Frau gehabt hat, darüber habe ich bisher nichts finden können. Immerhin wäre da das Eingreifen der Athene, die Theseus dazu bringt, seine Braut Ariadne auf Naxos zu verlassen.

Gesetzt den Fall, dass Dionysos zu dieser Zeit schon auf dem Weg nach Naxos war, wäre Athenes Eingreifen schon ein Indiz dafür, dass Ariadne von den Göttern als die Gemahlin des jüngsten Gottes der Griechen auserkoren war. Dionysos schifft sich jedenfalls in Ikaria nach Naxos ein, nicht wissend, dass die Besatzung des Schiffes aus Piraten bestand. Diese erkannten den Gott nicht. Sie fesselten ihn und wollten ihn, in Italien oder Asien (das gehen die Quellen auseinander) als Sklaven verkaufen.

Doch Dionysos wusste sich auch dieses Mal zur Wehr zu setzen. Die Fesseln lösten sich wie von selbst und das Schiff wurde durch Efeu- und Weinranken, die sich um den Mast und die Segel rankten, zum Stillstehen gebracht. Dem nicht genug, erzeugte Dionysos bei den Piraten auch noch Halluzinationen seiner wilden Tiere. Erschreckt stürzten sich die Piraten samt und sonders ins Meer und wurden zu Delfinen.

Bildquellen:

©Wikipedia Artikel Pentheus / Wikipedia Artikel Dionysos / https://www.theoi.com/Gallery/K12.2.html

5 Kommentare

  1. Rede des Dionysos vor den Thebanern
    Hallo zusammen,

    ich habe in einer arte Dokumentation zu Dionysos folgende Rede von ihm vor den Thebanern gefunden, nachdem diese wieder in die Stadt zurückgekehrt waren:

    „Volk von Theben. Ich bin die größte je dagewesene Herausforderung für die Menschheit.
    Ihr seid eurer Gewohnheit zum Opfer gefallen. So wie alle Sterblichen. Ihr achtet Recht und Ordnung, die für ein friedlichen Zusammenleben in der Stadt auch unerlässlich sind.

    Aber das Andersartige, das schmäht ihr. Das macht euch Angst. Dabei steckt es tief in euch selbst.

    Ich bin das Andere. Das Fremde. Der Gegensatz. Und ich bin hier, um euch diese dunkle Seite zu zeigen, die in euch allen steckt. Wenn ihr sie verbannt, so wie ihr mich aus eurer Stadt verbannt habt, dann seid ihr verloren. Verloren wie euer stolzer König Pentheus.
    Wenn ihr aber diese wilden Kräfte akzeptiert, wenn ihr sie annehmt, anstatt sie zu verbannen, ist das eure Rettung.

    Mein Vater, der allmächtige Zeus, hat mich zu euch geschickt, damit ich euch sage, dass der wahre Wahnnsinn nicht das ist, was ihr dafür haltet. Wahrer Wahnsinn ist eine vollkommen tugendhaftend, vollkommen vernünftige Stadt zu wollen.

    Nur die Götter erreichen Vollkommenheit.

    Ihr Sterblichen hütet euch vor den beiden Extremen, nur die Vernunft walten zu lassen und ganz ohne Vernunft zu handeln. Seid empfänglich für das Vernünftige. Aber erwartet auch das Unvorhergesehene, das Unerwartete, das, was euch zunächst verunsichert.

    Denn nur so werdet ihr frei sein.“

    Mich würde interessieren, woher die Arte-Redaktion dieses Zitat hat. Auf welche Quelle beziehen sich hier die Redakteure. Ich konnte dazu leider keine weiterführenden Hinweise finden. Vielleicht weiß ja Angel in diesem Zusammenhang etwas.

    Würde mich sehr über eine Rückmeldung bzw. Hinweis freuen.

    • Hallo Timo, vielen Dank für dein Mitschreiben. Mir war die Rede von Dionysos auch aufgefallen und bei der Suche nach ihr bin ich auch nur auf deinen Kommentar gestoßen. In meinem Essay „Fühlen und Denken“ hatte ich eine was in der Art formuliert. Unter „Exzesse der Einschränkung“ und „Die Fratze des Wahnsinns“: fuehlenunddenken.de/drei-essays/fuhlen-und-denken/ Vielleicht interessant für dich?

  2. Dionysos und Ariadne
    Weiß jemand, warum sich Dionysos Ariadne als Frau ausgesucht hat?????
    Er hätte doch eine andere Frau oder eine richtige Göttin nehmen können. Und als Ariadne dann gestorben ist, war er dann wieder alleine?

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