Joseph Campbell: Mythos statt Religion, denn: „Die Mitte ist überall.“
Als ein Buch im Zeitalter der Raumfahrt – und damit notwendigen Blick von außen – wird dieses Buch von Joseph Campbell wenn überhaupt im deutschsprachigen Raum besprochen. Das ist nicht ganz richtig.
Zeitalter der Raumfahrt – ist nicht ganz falsch. Doch zeichnet „Zeitalter der Raumfahrt“ eher einen Rahmen für seine Fragen an den Mythos. Im Kern seines Buches geht es wie in seinem ganzen Leben – um das Erinnern – an das Geheimnis menschlichen Lebens. In den Mythen ist es aufbewahrt, vertraut mit ihm sind heute nur sehr wenige Menschen mit ihm.
Entstanden aus einer ganzen Vortragsreihe (1981 – 1984 – wenige Jahre vor seinem Tod), lassen sich die einzelnen Kapitel auch als zusammenhängende Darstellung lesen.
Die Einleitung nimmt die doppelte Funktion des Mythos auseinander. Das macht denn auch erklärlich, wie es dazu kam, dass die – in den Mythen der ganzen Welt auftauchenden Unterweisungen, was ein Mensch tun kann, um seinen physischen Tod zu überleben, verloren gingen.
Demnach hatte die Mythen in allen Bereichen der Erde zwei Funktionen:
Die erste Funktion des Mythos
besteht darin, Orientierung und Sinn in den Krisen und Wandlungszeiten eines jedes Menschenlebens zu vermitteln. Kindheit, Pubertät, seinen Platz in der Gesellschaft finden und schließlich, diesen Platz wieder aufzugeben – die Vorbereitung auf den Tod. Die Struktur der Heldenreise, die ausführliche Beschreibung der Kundalini oder die Symbolik der Sonne – Mond – Balance finden sich überall.
Die zweite Funktion des Mythos (Religion)
bezieht sich auf das soziale Miteinander einer Gemeinschaft. Es werden Regeln des Zusammenlebens aufgestellt und mit mythologischem Hintergrund begründet.
Diese Regeln beziehen sich zum großen Teil auf lokale Besonderheiten – insbesondere geographische. An den großen Flusskulturen des Altertums lässt sich diese Funktion des Mythos deutlich verfolgen. Die Herrschaft des Pharao über Ober- und Unterägypten etwa wird mit dem Sieg des Horus über Seth begründet.
Für Menschen innerhalb der Gemeinschaft galten Regeln der Kooperation, Achtung und Liebe, die ein harmonisches Miteinander sichern sollten. Für Menschen außerhalb der Gemeinschaft galten diese Regeln nicht. Sie wurden als Barbaren, Heiden angesehen und durften straflos getötet oder versklavt werden.
Auch diese lokale Beschränkung findet sich in (fast) allen Mythologien wieder. „…die soziale Funktion einer Mythologie sorgt …nicht dafür, daß der Geist sich öffnet, sondern bewirkt eine Abkapselung, damit die lokale Bevölkerung dadurch gegenseitigen Rückhalt findet und zusammengebunden wird… “ (S.27)
Mythosfunktion Religion
Liebe Angela,
Mythos Religion der die Andersgläubigen als Feinde betrachtet?
Steckt da etwa ein Fehler drin?
Die Gewichtung „Religion“ gab alten Werken die entsprechende Brisanz. Das wurde seit Hunderten von Jahren ungeprüft übernommen. Es ist schade, dass die Forschung hier, gerade wegen „Religionsmythen“ nichts tut.
Dabei wären in den Texten – und der korrigierten Handhabung – die schädlichen, trennenden Wirkungsweisen aufgehoben. Früher war ein anderes Verständnis.
Der Wechsel der Sprachen und Kulturen war die Ursache für die Abweichungen. Man verstand die Doppeldeutigkeit nicht mehr, als übersetzt wurde.
Die Balance stimmt nicht mehr. Statt Weite kam Eingrenzung.
Der 2. Johannesbrief ist dazu ein Beispiel. Sechs Verse über Liebe, dann der Rest, die Drohung gegenüber Andersgläubigen. „Die ja nicht grüßen!“ meint er. Der ahnungslose Leser nimmt es ernst und befolgt so etwas mit schlechtem Gefühl. Er kann den Humor so nicht erfassen. Dabei sind alle Verse doppeldeutig und gehen in beide Richtungen. Zum Teil nahm man dabei die positive und ein Teil übersetzte die negative Aussage eines mehrfachen Textes.
Das Ergebnis ist ein Fehler.
Der Leser hätte ein Panorama nach allen Seiten hin.
Wie also kriegt man Ordnung in Wandlungszeiten?
Ich meine die Wissenschaft hat sich schon längst auf den Weg dorthin gemacht – zu einem neuen Mythos?
Und doch ist das Alte noch viel weiter voraus…
Magda