Wer sich mit den Göttern auseinandersetzt, der setzt sich oft auch mit seinem eigenen Leben auseinander und der Frage, wie es seiner Seele nach dem Tod wohl ergehen könnte. Viele Menschen stützen sich bei der Beantwortung der großen Fragen in ihrem Leben auf einen Gott oder mehrere Götter. In diesem Artikel möchte ich ein Thema antickern, das bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben eine besonders wichtige Rolle spielt.
Unsere Seele nach dem Tod
Das Leben wie wir es normalerweise kennen ist für jeden Menschen endlich. Was danach möglich ist und was nicht, kann man, so ganz allgemein, nur vermuten. Doch beschäftigt die Frage, wie es unserer Seele nach dem Tod ergehen könnte, schon immer enorm viele Menschen. Gab es in allen Mythologien wie auch in den Religionen recht klare Antworten auf diese große existentielle Frage, so wissen heutzutage viele, dass es allgemein gültige Antworten wohl nicht geben kann. Aber stimmt das so für alle Mythologien und Religionen? Vergegenwärtigen wir uns also, wie verschieden die alten Mythen und Religionen die Frage beantworteten, was für eine Reise unserer Seele nach dem Tod bevor steht.
Ägypten – Prüfung des Herzens
Im alten Ägypten widmeten die Menschen, die wohlhabenden auf jeden Fall, ihr gesamtes Leben der Vorbereitung auf den Tod. Es wartete beim Übergang vom (irdisch bekannten) Leben in den Westen (jenseits des Nil also), eine Reihe von Prüfungen. Erst wenn die Seele des Toten seine Prüfungen bestanden hat, kommt sie vor den Thron von Osiris, dem Gott der Unterwelt. Hier wartet die letzte Prüfung auf ihn: Die Prüfung eines reinen Herzens.
Es lohnt sich noch heute, sich mit diesen Prüfungen auseinander zu setzen. Sie zielen, so würde ich´s in ein für uns verständliches Deutsch übersetzen auf die Fähigkeit, seine eigenen Gefühle, unbeirrt von Widrigkeiten ringsum, beruhigen und als Kraftquelle einzusetzen. Sich verängstigen lassen, verschreckt wegrennen – eben solche Reaktionen sollte man sich rechtzeitig abgewöhnen.
Lethe, der Fluss des Vergessens in der griechischen Mythologie
in der griechischen Mythologie sind die Seelen nach dem Tod nur noch mehr oder weniger passive Schatten ihrer selbst. Auch können sie, zumindest normalerweise, nicht wieder auf die Erde zurück. Ob man überhaupt noch von „Leben“ oder „Bewusstsein“ reden kann, wenn eine Seele nach dem Tod nichts mehr entscheiden oder tun kann, finde ich schon fraglich. Vor allem wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Seelen vor ihrer Überfahrt in das Reich des Hades aus dem Fluss Lethe trinken mussten.
Wer aus der Lethe trinkt, versinkt in ewiges Vergessen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob wirklich alle Seelen aus der Lethe trinken mussten. Vielleicht war es ja auch nur ein Angebot für all jene, die selig vergessen wollten? Der blinde Seher Teiresias jedenfalls kann mit dem Helden Odysseus sprechen. Und nicht nur das, Teiresias gibt dem Odysseus genau jenen Rat, den der Held für seine weitere Fahrt braucht. Homer beschreibt aber auch, dass Odysseus ebenfalls mit seiner eigenen Mutter spricht und ebenso mit dem Helden Achill sowie mit seinem Heerführer Agamemnon. Sie alle können sich erinnern und mit Odysseus sprechen. Insofern kann die Passivität der Seelen nicht so eindeutig gewesen sein. Allerdings, auch das wird in der Odyssee deutlich, geht es den Seelen in der Unterwelt nicht gut, sie alle weinen ihrem Leben auf der Erde nach.
Christentum – die unsterbliche Seele
Im Christentum nun, das in Sachen Leben nach dem Tod mehr an die griechische denn die ägyptische Tradition anknüpft, stellt man sich die Seele als etwas grundlegend einfaches vor. So wie Gott ist auch die Seele ein Ganzes, das nicht aus der Summe von Teilen besteht. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Anders als ein zusammengesetzter Körper oder eine komplexe Welt besteht die Seele nicht aus Teilen, sondern aus dem eigentlich wichtigem, was einen konkreten Menschen ausmacht. Die Seele ist so etwas wie das unwandelbare und unteilbare Wesen eines Menschen.
Doch auch diese Vorstellung, was eine Seele sei, ist bzw. bleibt in den zwei Jahrtausenden Christentum nicht immer gleich. Seele wird zeitweise mit Psyche gleichgesetzt oder auch als die unsichtbare Quelle des Denkens und des Willens vorgestellt. Dargestellt aber wird die Seele oft als Atemhauch, als eine Art Geist, ein eher gasförmiger Körper.
Seele vor und nach dem Tod
Die Vorstellung eines Menschen, ob und wenn ja wie Menschen nach dem Tod leben könnten, beeinflusst seine Einstellung zum Leben normalerweise unglaublich stark. Manche Menschen mögen sich sagen: Mir doch egal – was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß! Aber wozu will man und das wollen ja viele, im Leben etwas erreichen, etwas Sinnvolles tun, wenn es eh keinen Unterschied machen würde. Wenn am Ende Auslöschung stehen würde? Will ich mir das wirklich antun, mein Leben mit der Perspektive, dass ich nach meinem Tod ausgelöscht werde, hinter mich zu bringen? Aber auch die Vorstellung, nach diesem Leben hier für meine Taten bestraft oder belohnt zu werden, hat Auswirkungen darauf, wie ich lebe, was ich tue und was nicht. Zumindest, wenn ich (wirklich) daran glaube. Doch welche Autorität sollte das sein, die mich straft oder belohnt?
Viele mögliche Antworten
Heute glauben wir hier in Europa sehr viel weniger an die unumschränkte Macht von Autoritäten als noch vor 200 oder als vor 100 Jahren. Das Spektrum an möglichen Antworten ist heutzutage groß. Und da wir solange wir auf die uns gekannte Weise leben, nicht genau wissen, was danach auf uns zukommt, ist es vielleicht am gescheitesten, möglichst viele mögliche Antworten sorgfältig und liebevoll zu bedenken. Umso älter ein Mensch wird, desto wahrscheinlicher wird es, dass er sich öffnet für mögliche Antworten ganz verschiedener Art. Der Neurobiologe und Psychiater Peter Fenwick und seine Frau Elisabeth Fenwick haben in ihrem Buch: „Die Kunst des Sterbens“ beschrieben, wie sie seit vielen Jahrzehnten Sterbende begleiten und dabei zu überraschenden Einsichten gekommen sind.
Die Endlichkeit des Lebens
Manche Menschen kommen auch in der Auseinandersetzung mit Göttern an einen Punkt, an dem sie sich aktiv Fragen nach Leben und Tod auseinandersetzen. In diesem Moment entscheiden sie sich dann manchmal auch dafür, Pläne für ihren eigenen Abschied zu schmieden und ihre eigene Beerdigung zu planen. Das ist natürlich nur eine von vielen der eher praktischen, Angelegenheiten, die man schon einfach mal selbst in die Hand nehmen kann. Wer möchte, kann sich damit selbst mehr Ruhe verschaffen. Denn er hat dadurch die Gewissheit, dass die eigenen Angelegenheiten auch über den Tod hinaus geregelt sind. Es kann also durchaus einen Vorteil bieten, wenn man sich mit diesem auf den ersten Blick nicht besonders angenehmen Thema befasst.
Seele nach dem Tod und der Sinn des Lebens
Es gibt sehr viele Tipps und Tricks, um sich selbst zu motivieren, einen Sinn im Leben zu finden. Natürlich mögen solche Tipps eine Hilfe sein. Doch die Motivation für sein Leben überhaupt, also über den Tod hinaus – das ist eine verdammt existentielle Angelegenheit. Man muss nicht nur den Willen haben, sich Ziele zu setzen und diese selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Man muss auch die Ziele in Frage reflektieren – wo führen sich mich dann hin – auf lange Sicht? Meine Seele nach dem Tod, welchen Unterschied macht es für mich, wenn ich über meinen Tod hinaus denken und fühlen kann – oder eben nicht?
Wir verändern uns am ehesten durch Krisen
Krisen sind oft die Auslöser, nicht einfach wie bisher weiter zu leben, sondern unbedingt heraus finden zu wollen, welchen Einfluss ich selbst habe, um einen Ausweg aus der Krise, in der ich gerade stecke, zu finden. Dass wir auf absehbare Zeit so gar keinen Mangel an Krisen haben, kann uns auch helfen, uns mit Göttern, dem Göttlichen, dem Sinn von Leben auseinander zu setzen. Früher oder später kommt man an einen Punkt, an dem solche Fragen lebendig werden, etwas zu sagen beginnen. Und dann beginnt sich etwas zu verändern.
Bildquellen:
© Johann Heinrich Füssli – The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202., Gemeinfrei, commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=151197 / Von Jeff Dahl – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3339878
Ich hatte einen wesentlichen Punkt vergessen: Warum ist es möglich, mit manchen Toten in der griechischen Mythologie zu reden? Ausgezeichnete Helden, wie beispielsweise Achilleus und viele mehr, sind nach ihrem irdischen Tod nach Elysion versetzt wurden. Dort haben sie ein Bewusstsein – und deshalb kann man mit manchen Toten dann eben doch reden.
„Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob wirklich alle Seelen aus der Lethe trinken mussten.“
Im Rahmen der griechischen Mythologie ist diese Angelegenheit wirklich kompliziert und kann nicht abschließend sicher beantwortet werden. Meist wird zwischen 2 Totenwelten unterschieden, dabei geht es um Paradies und Hölle. Die griechische Mythologie unterscheidet allerdings zwischen 3 Totenwelten:
Hades, Tartaros (Hölle) und Elysion (Paradies). In der griechischen Mythologie ist die Angelegenheit mit dem Paradies (Elysion) sehr blöd geregelt. Nämlich können dort nur ausgezeichnete Helden (Heroen) und Heldinnen (Heroine) nach ihrem irdischen Tod in das ewige Paradies (Goldenes Zeitalter) erhoben werden. Gewöhnliche Sterbliche können nur in den Hades oder die Hölle (Tartaros) gelangen.
Ich selber bin leider kein ausgezeichneter Held (Heros), sodass ich mich gemäß griechischer Mythologie nach meinem irdischen Tod entweder in der Welt für gewöhnliche Tote (Hades) – wegen dem Wasser der Lethe wohl ohne Bewusstsein – wiederfinde, oder in der Hölle, dort dann dummerweise allerdings mit Bewusstsein (damit ich die Qualen auch bewusst erleide).
Das ist echt fies, in der griechischen Mythologie. Es gibt übrigens besonders berühmte Gestalten in der griechischen Mythologie, die in den Tartaros verdammt wurden und dort bewusst ewige Höllenqualen erleiden:
Danaiden
Tantalos
Tityos
Sisyphos
Ixion –