Kali und Durga sind in der indischen Mythologie zwei kriegerische Aspekte der lieblichen Göttin Parvati. Doch Durga gilt auch als die „Große Göttin“. Die zerstörende Macht von Kali und Durga sind nicht gegen den Menschen selbst, sondern gegen das Dämonische im Menschen gerichtet. Die Zerstörung des Dämons soll den Weg zur Erlösung frei machen, was sich besonders deutlich im Tantra zeigt.
Inhaltsverzeichnis
Voraussichtliche Lesedauer: 6 Minuten
Kali und Durga
Kali und Durga sind zwei weibliche Gottheiten im Hinduismus. Manchmal werden die beiden als die rächenden Aspekte der lieblichen Göttin Parvati beschrieben. Doch lässt sich das Zusammenspiel der Gottheiten im Hinduismus meist auf verschiedene Weise beschreiben. Das gilt ganz besonders für Kali und für Durga. Auf Shiva bezogen könnte man es so sagen, ja: Während seine Geliebte Parvati die liebende, mütterliche Gattin des Shiva und Mutter von Ganesha ist, füllen Kali und Durga andere Rollen aus. Sie stellen die rächenden, zerstörerischen Seiten der lieblichen Parvati dar. Shiva ist als Gatte vor allem von Kali als Zerstörer aktiv. Durga aber gilt, auch ganz unabhängig von Shiva, als „Große Göttin“ (Mahadevi) und Zerstörerin des mächtigen Dämons Mahishasura.
Durga – die Mahadevi (Große Göttin) und Allmutter
Die Göttin Durga wird überwiegend reitend dargestellt. Sie reitet auf einem Tiger oder einem Löwen. Das „Dritte Auge“ auf ihrer Stirn leuchtet hell. Aus ihrer Stirn entspringt auch die ihr nächste Göttin, die zornige Kali, Göttin der Zerstörung. Als die reitende und kämpfende Durga wird sie keinem männlichen Gott zugeordnet.
Doch gilt Durga im Tantra als die höchste Shakti. Durga ist die Göttin der Vollkommenheit, die sich in anderen Göttinnen manifestieren kann. So kann sich die „Große Göttin“ in anderen Göttinnen zeigen, die manchmal auch als ihre Kinder bezeichnet werden: Sarasvati, Lakshmi oder eben in Kali.
Die Göttin Durga wird manchmal mit vier, oft aber mit acht oder noch mehr Armen dargestellt. Wie bei Kali auch symbolisieren ihren vielen Arme ihre große Kraft. In jeder dieser Arme hält sie eine der Waffen, mit denen sie den mächtigen Dämon besiegt. Typische Zeichen für die Mahadevi Durga sind Muschel, Pfeil und Bogen, Schwert, Schild, Gebetskette, Glocke und Keule und natürlich ihr heiliges Tier – der Tiger, manchmal statt des Tigers auch ein Löwe.
Die Legende von Rama und der Göttin Durga
Rama, eine Inkarnation von Vishnu, verehrt die Göttin Durga, um Ravana, den König von Lanka zu besiegen. Dieser nämlich hält seine Frau Sita gefangen. Rama betet und bringt Opfergaben, doch die Göttin erscheint nicht. Vibhishana, der Bruder des Dämon Ravana hat sich auf die Seite von Rama geschlagen und rät seinem neuen Herrn, dass er versuchen sollte, der Göttin 108 blaue Lotusblumen zu opfern. Hanuman sammelt die 108 Blumen und Rama beginnt, diese zu den Füßen der Göttin zu opfern. Durga aber will seine Hingabe testen und lässt eine der Blumen verschwinden, während Rama im Gebet vertieft ist. Als er entdeckt, dass eine Blume fehlt, greift er spontan zu einem Pfeil, um statt der fehlenden Blume sein Auge zu opfern. Als die Pfeilspitze kurz vor seinem Auge ist, erscheint ihm endlich die lang ersehnte Göttin und gibt ihm ihren Segen.
Kali – die Göttin der heilsamen Zerstörung
Die Göttin Kali wird oft zusammen mit Durga dargestellt, nämlich in dem Moment, da sie aus dem Auge von Durga in den Kampf springt. Kali gilt dann als der zornige Aspekt von Durga.
Kali hat auf vielen Bildern unzählige Arme und trägt eine Halskette aus Menschenschädeln. Am Gürtel trägt sie abgeschlagenen Arme als Trophäen zur Schau. In den Händen hält sie meist einen abgeschlagenen Schädel, eine gezückte Sichel und eine Schale mit Blut. Auch auf der Stirn von Kali ist das „Dritte Auge“ zu sehen. Ein weiteres charakteristisches Zeichen von Kali ist die weit herausgestreckte Zunge.
Auf vielen Darstellungen nimmt ihre rechte Hand das Mudra (Handstellung) des Segnens ein. Kali wird trotz ihrer für Europäer schreckerregenden Gestalt von den Gläubigen als göttliche Mutter und Beschützerin der Menschen verehrt. Denn, so heißt es, sie ist es, die das Böse, dämonische im Menschen vernichtet. Die Sichel in ihrer Hand wird daher nicht primär als bedrohlich, sondern als Symbol der Erlösung von der Macht des Bösen gedeutet: Kali zerschneidet die Bindungen und Knoten, mit denen der Mensch sich an die Mächte des Bösen fesselt.
Kali und Durga im Tantra
Im Tantra gelten sowohl Kali und Durga als höchste Göttin. Im Tantra zeigt sich die heilende Kraft des Zerstörens besonders deutlich. Aufgelöst werden Abwehr, Abgrenzung, Krankheiten und Verspannungen. Die abgeschlagenen Köpfe gelten im Tantra explizit als Symbol für die Befreiung vom bösen, weil sich isolierenden und abgrenzenden Ego des Menschen.
Quellen:
- Text: Yogawiki / Göttin Kali
- Bilder: VMatthias Rosenkranz – Flickr: Durga Puja, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20097080 / Autor/-in unbekannt – Picture of the „Guler School“., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1214711 / https://www.pinterest.de/pin/17803361024088717/