Kassandra und Aineias bei Christa Wolf sind ein deutlich anderes Paar als bei Homer.
Auch Kassandra und Aineias als Indiviuen strahlen bei Christa Wolf eine eigene – eine Wolf´sche? Stimmung aus.
Christa Wolf hat mit diesen beiden Figuren Bilder geschaffen, an dem sich seitdem viele Menschen, besonders Frauen, als Leitbild orientiert haben.
Für die Götter-Site, oder von mir aus: Für mich (Angel), die ich sehr viel an dieser Seite arbeite, sind vor allem die Götter und Helden in der Kassandra von Christa Wolf interessant.
Christa Wolf, am Ende der DDR angekommen, arbeitet nämlich mit Helden, die das Helden Tum verweigern.
Eine interessante Konstellation, die für unauflösbare Knoten sorgt.
Das betrifft besonders die Beziehung zwischen Kassandra und Aineias
Kassandra bei Christa Wolf
Die Erzählung von Christa Wolf war bei ihrem Erscheinen ein Ereignis. Ich bekam sie zu lesen noch bevor es das Buch in den Läden gab. Bei einer Lesung von Christa Wolf im Palast der Republik, zwei Jahre vor der Wende.
Wie Kassandra hat auch Christa Wolf den Untergang (der DDR) vorausgesagt. Am eindringlichsten wohl in diesem Buch – und recht zutreffend analytisch- zumindest psycho-analytisch. Und niemand glaubte ihr. Das nicht. Katastrophen aller Art, schon. Aber nicht das.
Die Paralellen sind schon beeindruckend und rückten damals so manchen von uns auf den Pelz. Ich habe das Buch bis und auch noch eine Zeit nach der Wende wie eine Bibel gehändelt für mich. Und das hieß in diesem Fall: Tiefe Verzeiflung – ohne einen Ausweg zu sehen.
Diese drückende Stimmung im ganzen Land damals – sie ging mehr als von Staat und Volk – von uns, den Oppositionellen aus. Mit 20 Jahren Abstand seh ich nun in der Kassandra von Christa Wolf auch, wieso:
Was will Kassandra?
Kassandra – obwohl leidend an der Willkür und Dummheit von Eumelos und Priamos – lehnt jedes Helden Tum ab. Helden aber sind gerade jene Menschen, die anspruchsvolle ZIele haben und diese beharrlich verfolgen.
Kassandra, könnte man wohl sagen, hat kein Ziel. Wohl aber hat die Kassandra der Christa Wolf Werte. Hoch angesetzte Werte, an die sie sich unerbittlich hält. Da gleicht sie Aineais.
Dank ihrer unerbittlichen Integrität ist Kassandra eine Figur, die überzeugend wirkt. Denn ohne Werte können Ziele schnell in Kindereien oder bestialischen Ausbrüche führen. Zu besichtigen etwa in der Figur des Achill.
Doch umgekehrt: Werte ohne Ziel sind willkürliche Setzung. Auf Werten treu und unverrückbar zu beharren beweist nicht nicht, dass gerade diese Werten DIE richtigen sind. Sie müssen sich schon an Zielen, die sich mit ihnen (und nur mit ihnen) erreichen lassen, messen lassen.
Damals war mir die Stelle, als Kassandra zum Schluss auch Aineias ablehnt , nicht aufgefallen. Jetzt fällt mir die Stelle auf. Auf der letzten Seite zu lesen:
Du wirst ein Held sein müssen
„Es war ja klar: Allen, die überlebten, würden die neuen Herren ihr Gesetz diktieren. Die Erde war nicht groß genug, ihnen zu entgehn. Du, Aineias, hattest keine Wahl: Ein paar hundert Leute musstest du dem Tod entreißen. Du warst ihr Anführer. Bald, sehr bald, wirst du ein Held sein müssen.
Ja! hast du gerufen. Und? An deinen Augen sah ich, du hattest mich begriffen. Einen Helden kann ich nicht lieben. Deine Verwandlung in ein Standbild will ich nicht erleben.“